Eigentlich und in der Regel kommt der ersten Finalpartie noch keine entscheidende Bedeutung zu. Die Wegstrecke zur Meisterfeier ist nach einem von vier notwendigen Siegen noch lang und mühselig. Und niemand deckt gleich am Anfang schon alle Karten auf. Und es ist auch jetzt so, dass niemand an eine Vorentscheidung denkt. Geschweige denn, von einer Vorentscheidung spricht.
Aber bei dieser ersten Final-Partie ist vieles anders als sonst. Die ZSC Lions können den Titel nur verteidigen, wenn sie mindestens ein Spiel in Lausanne gewinnen. Also dort, wo sie vor einem Jahr alle drei Final-Partien verloren haben. Ein Auswärtssieg ist der erste Schritt, der Schlüssel zum erneuten meisterlichen Triumph.
Die Art und Weise, wie die Zürcher gleich diesen ersten Auswärtssieg eingefahren haben, ist beeindruckend, ja begeisternd, und wir können uns nach einem perfekten Spiel nur noch verneigen und reimen: Die ZSC Lions, wie sie singen und lachen und bedingungslos Ernst machen.
Perfekt, weil es Trainer Marco Bayer gelungen ist, seinen spielerisch klar überlegenen Männern im Laufe der Playoffs klarzumachen, dass es eben mit spielerischen Mitteln allein nicht reichen wird. Erst seit der sechsten Halbfinalpartie (6:4) in Davos haben die Zürcher auf Playoff-Hockey mit dem richtigen Mix aus Kunst und Rumpeln umgestellt.
Perfekt, weil Trainer Marco Bayer das perfekte taktische Konzept gezimmert hat: Sofort, zügig, aber ohne Hast vorwärts. Unverzüglich das Spiel und die Zweikämpfe dominieren. Den Puck schnell und direkt spielen. Alle – ob mit oder ohne Scheibe – in Bewegung. So kommt Lausanne gar nie in Schwung und die Euphorie auf den Rängen kommt nie auf. In der Schlussphase werden einzelne Zuschauerinnen und Zuschauer vor dem Spielende die Arena verlassen – eigentlich in Lausanne in einem Final eine Ungeheuerlichkeit sondergleichen.
Gerade in den Playoffs ist es oft lange Zeit nicht möglich, zu spüren und zu erahnen, wie eine Partie ausgehen wird. Erst recht in einem Final, wenn sich der Qualifikationssieger und der Zweite der Qualifikation zumindest theoretisch auf Augenhöhe begegnen. Aber bei diesem ersten Final ist von der ersten Sekunde an klar, wer gewinnen wird. Von der ersten Sekunde an gerät Lausanne in Rücklage, mit dem ersten richtigen Spielzug kommen die Zürcher schon zu einem Abschluss. Sie dominieren das erste Drittel – in Lausanne! – mit 15:7 Abschlüssen. Dass sich Lausanne für den Rest des Spiels eine Torschussbilanz von 22:8 notieren lassen darf, ist statistische Rosstäuschung. Simon Hrubec muss nicht auf dem Kopf stehen, um einen Gegentreffer zu verhindern.
Perfekt, weil die ZSC Lions dazu in der Lage sind, ihr immenses, überlegenes Talent sofort zu entfalten, weil sie die Zweikämpfe gewinnen und auf offenem Eis und entlang der Banden, vor dem eigenen und vor dem gegnerischen Tor jederzeit die «Lufthoheit» haben. Oder noch einfacher gesagt: Die Zürcher machen von der ersten Sekunde an bedingungslos Ernst.
Perfekt, weil Marco Bayer seinen berühmten Gegenspieler «auscoacht». Geoff Ward, der doch als bester «Bandengeneral» der Liga gilt, sieht dem Untergang seiner Männer beinahe ohnmächtig zu. Wie hilf- und machtlos er ist, zeigt eindringlich das 0:3. Er schickt seinen Leitwolf Antti Suomela gegen die Formation von Denis Malgin – in dieser Form eine der besten Sturmlinien Europas – aufs Eis. Er opfert also seinen besten Einzelspieler, um die «offensive Kommando-Zentrale» des Gegners auszuschalten.
Sofort ist ersichtlich, dass das nicht funktionieren wird. Aber Geoff Ward, der das letzte Wechselrecht hat, reagiert zu zögerlich. Das 0:3 zeigt, wie fatal diese taktische Disposition ist: Antti Suomela verliert in der offensiven Zone den Puck, blitzschnell läuft der Gegenangriff und Sven Andrighetto trifft zum 0:3. Es sind erst 33:03 Minuten gespielt und alles ist schon vorbei. Nun helfen alle Umstellungen nichts mehr. Antti Suomela wird die Partie mit einer Minus-Bilanz beenden. Denis Malgin und sein offensiver Zwilling Sven Andrighetto natürlich mit einer positiven.
Es gibt in der Sportgeschichte ein berühmtes, ja legendäres Beispiel, welche Folgen es haben kann, wenn der begabteste Regisseur des Offensivspiels für eine defensive Aufgabe geopfert wird: Im Final der Fussball-WM 1966 im Wembley schickt Helmut Schön mit Franz Beckenbauer seinen mit Abstand begabtesten Regisseur mit der Aufgabe aufs Feld, Englands Spielmacher Bobby Charlton mit Manndeckung zu neutralisieren. England wird Weltmeister.
Antti Suomela ist nicht Franz Beckenbauer und Denis Malgin nicht Bobby Charlton und eine Manndeckung wie im Fussball gibt es im Hockey nicht. Und doch: Das Duell der beiden besten Spielmacher ist ein entscheidender Faktor in diesem ersten Finalspiel. Für Geoff Ward ist nun die entscheidende Frage: Wie kann es gelingen, Denis Malgin zu neutralisieren? Mit Härte und Provokationen wird es nicht funktionieren: Das ZSC-Powerplay mit einer fabelhaften Erfolgsquote von über 35 Prozent ist «tödlich».
Perfekt, weil die Zürcher nach der frühen Entscheidung (mit dem 0:2 nach 12:13 Minuten ist eigentlich schon alles gelaufen) die Balance im Spiel finden, auf den Zehenspitzen stehen bleiben und nie zu passiv werden. Es ist wahrlich durch und durch das perfekte Spiel. Taktisch das Beste, seit dem legendären 2:0 am 27. April 2018 in Lugano, das damals den Zürchern unter Trainer Hans Kossmann die Meisterschaft im 7. Spiel bescherte.
Gibt es eigentlich nach einem perfekten Finalspiel noch Fragen um die Zukunft des Trainers? Nein.
P.S. Natürlich müssen die Zürcher mit ihrem spielerischen Singen und Lachen weiterhin bedingungslos Ernst machen, bis drei weitere Siege eingefahren sind und die Verlängerung mit Marco Bayer unter Dach und Fach ist…
Sie wissen es!!